Vergiftungen bei Kindern – Gefahren und Gegenmaßnahmen
Wusstest Du, dass es ca. 100.000 Vergiftungsunfälle pro Jahr mit Kindern in Deutschland gibt und 60% entfallen auf Kleinkinder unter 3 Jahre? Diese Statistik ist deshalb so genau, weil Vergiftungen meldepflichtig sind. Seit mehr als 20 Jahren melden Arztpraxen und Krankenhäusern alle Vergiftungen an das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). So können Vergiftungsunfälle ausgewertet und schnell geeignete Gegenmaßnahmen zur Prävention überlegt werden.
Schauen wir uns das extrem weitreichende Feld der Vergiftungen etwas genauer an. Alles, das durch chemische, tierische, pflanzliche, bakterielle oder sonstige Stoffe dem Körper schadet, zählt zu den Vergiftungen. Dazu gehören aber nicht nur z. B. Reinigungsmittel, Giftpflanzen, schädliches Essen und Trinken. Auch Giftstoffe, die durch Einatmen und durch Kontakt über die Haut in den Körper gelangen, zählt man zu den Vergiftungen, z. B. Gase, Paraffine, Partikel oder ätzende Substanzen. Dabei werden übrigens die Unfälle durch Verschlucken oder Einatmen von Kleinteilen, z. B. Essen oder Spielzeug, in diese Statistik gar nicht mit einbezogen (diese sind nicht meldepflichtig).
Gerade bei Säuglingen und Kleinkindern, die ihre Umwelt besonders aufmerksam und neugierig mit und durch den Mund erkunden und entdecken, gehören Vergiftungen neben Sturzunfällen (auch aus dem Fenster) sowie Verbrennungen und Verbrühungen definitiv zu den Unfallschwerpunkten. Da es hier viele Aspekte zu bedenken gibt, die viele Eltern zumeist gar nicht in Betracht ziehen, möchte ich Dir dieses Risikogebiet heute etwas näher beleuchten.
„Typische“ Vergiftungs-Risiken im Haushalt
Die meisten von uns wissen es: Wasch- und Reinigungsmittel sind gefährlich und giftig und sollten deshalb niemals erreichbar für Kleinkinder aufbewahrt werden. Am besten werden sie in abschließbaren Schränken verstaut oder weit oben, bitte nicht sichtbar für Kinder, da ansonsten wieder eine Klettergefahr besteht. Größere Kinder können gerne mitputzen, aber bitte immer unter Aufsicht und nie alleine mit den Putzmitteln hantieren lassen. Außerdem solltest Du Putzmittel nicht in normale Behälter, z. B. Getränkeflaschen umfüllen, um eine Verwechslungsgefahr zu vermeiden.
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Medikamente und Erste-Hilfe-Material sollten am besten in abschließbaren Schränken verstaut werden, außerdem getrennt voneinander (Erwachsenen- und Kindermedizin), um hier Verwechslungen auszuschließen. Erste-Hilfe-Material, wie Pflaster, Verbände etc., sollte im Notfall für größere Kinder erreichbar sein, allerdings nicht als Spielzeug dienen. Zu Übungszwecken gibt es übrigens auch kindgerechtes Spielmaterial.
In 50% der Vergiftungsunfälle bei Kleinkindern sind Medikamente die Auslöser. Sie sollten gegenüber Kindern auch nie als Bonbons oder Saft betitelt werden, dann wollen Kinder erst recht probieren. Außerdem Medikamente bitte nie offen in Handtaschen spazieren tragen, z. B. in Pillendosen, Herztabletten in Omas Handtasche. Kinder stöbern gerne neugierig in Handtaschen und finden alles, was dort nicht hinein gehört, mit Sicherheit.
Inzwischen versteht es sich (fast) von selbst, dass Zigaretten niemals offen herumliegen dürfen, z. B. auf dem niedrigen Wohnzimmertisch. Dazu gehören natürlich auch entsprechende Ersatzstoffe, wie E-Zigaretten und die dazu gehörigen E-Liquids (egal ob Caps oder Fläschchen) oder auch Shisha-Tabak. Alles was Mama oder Papa in den Mund nehmen, ist für Dein Kleinkind besonders spannend und möchte entdeckt werden. Deine Vorbild-Funktion ist hier besonders wichtig!
„Versteckte“ Vergiftungs-Risiken
Hier ein paar zusätzliche Risikofaktoren, die uns eher weniger bewusst sind, die aber eine große Rolle spielen:
Die Grillsaison ist endlich wiedereröffnet. Bitte aber niemals flüssigen Grillanzünder verwenden. Nicht nur wegen der drohenden Stichflamme, sondern auch wegen der chemischen Zusammensetzung, die gefährlichen Husten und im schlimmsten Fall Lungenversagen auslösen kann, solltest Du unbedingt darauf verzichten und liebe eine feste Alternative wählen.
Giftpflanzen im Garten: Gerade jetzt im Frühling, wo viele schöne Pflanzen in unseren Gärten blühen, steigen die Vergiftungsunfälle rapide an, weil vielen nicht unbedingt bewusst ist, dass sie Giftpflanzen im Garten haben oder dieses Thema unterschätzen. Kennst Du alle Pflanzen in Deinem Garten? Wenn Du giftige Gartenpflanzen, wie z. B. Oleander, Kirschlorbeer oder Goldregen nicht aussortieren kannst oder möchtest, solltest Du unbedingt sicherstellen, dass Du Dein Kind stets aufmerksam begleitest und dass Dein Kind davon keinerlei Pflanzenteile zu sich nehmen kann. Hier findest Du eine wunderbar übersichtliche Datenbank der giftigsten Gartenpflanzen:
Pflanzenerde, Dünger, Substrate, Pflanzenschutzmittel: Bitte auch Vorsicht bei spezieller Pflanzenerde, Substraten oder chemischem Dünger. Heutzutage gibt es viele organische Düngemittel für Deine Pflanzen, die nicht Deinem Kind (oder auch Tieren und Mikroorganismen im Boden) schaden. Gerade Kleinkinder gehen Pflanzen gerne „auf den Grund“, graben buchstäblich mit allen Sinnen in der Erde und nehmen diese auch gerne in den Mund.
Es gibt natürlich auch giftige Zimmerpflanzen. Überhaupt sollten Zimmerpflanzen stets für Kleinkinder unerreichbar sein. Von Tulpen im Frühling sind z. B. alle Teile (sogar das Wasser in der Vase) für Kleinkinder giftig oder auch alle Teile der Dieffenbachie oder im Winter der Saft des Weihnachtssterns. Hier findest Du eine wunderbar übersichtliche Datenbank der giftigsten Zimmerpflanzen.
Lampen- oder Duftöle gehören auf keinen Fall in die Nähe von Kleinkindern, diese trinken gerne auch aus ungesicherten Schälchen, Duftlampen oder lutschen an Dochten. Paraffinhaltige Lampenöle können schwere Lungenschädigungen hervorrufen. Duftöle enthalten ätherische Öle, die besonders Säuglinge unter 1 Jahr schädigen.
Schnell unbedacht die Haarpracht fixiert oder unter die Achseln gesprayt im Sommer, auch Haarspray und Deospray sind bedenklich, denn Dein Kleinkind atmet die zum Teil gefährlichen Gase der Sprays direkt in die Lunge ein, was zu schweren Schäden führen kann.
Zwar sind Kosmetika eher gering giftig, aber sie enthalten oft schäumende Tenside, z. B. in Seifen, Shampoos, Badezusätzen, Bodylotion, und können die Schleimhäute reizen, zu Erbrechen, Hustenreiz, oder Bauchschmerzen führen. Nagellackentferner ist ätzend, schon nach 1-2 Schlucken kann durch das Brennen im Mund und Speiseröhre Würgen und Erbrechen, bei größeren eingeatmeten Mengen kann Benommenheit und Schläfrigkeit folgen.
Babypuder ist eine größere Gefahr als die meisten denken. Wenn der leichte Puder in die Lunge eingeatmet wird können heftiger Husten, Atemstörungen und nachfolgende schwere Lungenschäden die Folge sein. Bei der Benutzung von Babyöl solltest Du darauf achten, dass Dein Kind nicht aus der Flasche trinkt, bei Verschlucken in die Lunge kann es Husten oder Atemstörungen auslösen.
Batterien, insbesondere die immer weiter verbreiteten Knopfzellen, stellen nicht nur die Gefahr eines verschluckbaren Kleinteils dar, sondern beinhalten giftige, teilweise ätzende Stoffe. Bei längerer Verweildauer im Körper (länger als 24 Std.) können diese freigesetzt werden und dann z. B. zur Schädigung der Magenschleimhaut führen.
Schädlingsbekämpfungsmittel, Frostschutzmittel, Farben und Lacke sollten außerdem natürlich auch immer für Kinder unzugänglich aufbewahrt werden.
Natürlich sind auch Bienenstich und Wespenstiche Vergiftungen. Und auch wenn der Stich oft schmerzhafter ist, gilt es wachsam zu sein.
Aufmerksam begleiten
Es ist nahezu unmöglich, alle Vergiftungs-Risiken immer im Kopf zu haben. Am Wichtigsten ist es, dass Du Dein Kind stets liebevoll, aufmerksam und achtsam im Alltag begleitest, die Welt mit seinen Augen betrachtest und geduldig erklärst und Fragen beantwortest. Kritische Gefahren in der Wohnung kannst Du absichern. Denn Kindersicherheit beginnt bei Dir!
Giftnotrufzentralen
In Deutschland gibt es acht Giftnotrufzentralen, die Dir im Ernstfall schnell helfen können. Eine Übersicht über die Telefonnummern findest du hier, außerdem die Nummern der Vergiftungsinformationszentrale (Wien, Österreich) und von Tox Info Suisse (Zürich, Schweiz). Das Fachpersonal kann bei akuten Vergiftungsunfällen telefonisch die genaue Zusammensetzung des exakten Produkts in der umfangreichen Datenbank recherchieren und Dir somit geeignete Hilfestellung oder Erste-Hilfe-Maßnahmen per Telefon geben.
Neben den kompetenten Giftnotrufzentralen gibt es inzwischen glücklicherweise auch tolle und umfangreiche präventive Hilfestellungen, die ich Dir ans Herz legen möchte.
Kostenfreie Apps zum Thema Vergiftungen
Screenshots der Apps: links (c) BfR, rechts (c) Berlin-Chemie AG
Die kostenfreie App des BfR „Vergiftungsunfälle bei Kindern“ erklärt Dir benutzerfreundlich und alphabetisch sortiert die Vergiftungsrisiken bei chemischen Produkten, Medikamenten, Pflanzen und Pilzen sowie Produkten im Haushalt, z. B. auch Spielzeuge, und gibt Dir umfangreiche Tipps zu Erste Hilfe Maßnahmen. Außerdem kannst Du sogar direkt über die App eine der Giftnotrufzentralen anrufen. (Android-Version und iOS-Version)
Die ebenfalls kostenfreie App „Kinder und Gift“ der Berlin-Chemie AG enthält ebenso umfangreiche Informationen zu Giften im Haushalt, giftigen Planzen, Tesidvergiftungen sowie auch wertvolle Tipps, wie man Vergiftungen überhaupt richtig und schnell erkennt. Erste Hilfe Maßnahmen sind auch enthalten. Zusätzlich gibt es für Dich mit einem kleinen 44-seitigen Elternratgeber die Möglichkeit, alle Informationen übersichtlich sortiert ganz klassisch nachzulesen. Auch über diese App kannst Du direkt eine der Giftnotrufzentralen anwählen oder der Notruf.(Android-Version und iOS-Version)
Multi-Sicherung
- für ein kindersicheres Verschließen von Schubladen, Schränken sowie Spülmaschinen, Kühlschränke und Mikrowellen
- starker Halt und rückstandfreies Entfernen
- einfache Handhabung für Erwachsene: Bedienung mit nur einer Hand
- getestet gemäß EN 16948:2017